Donnerstag, 17. Februar 2011

Downhill auf der gefährlichsten Straße der Welt



Ich musste es tun! Vier Stunden reine Abfahrt, von 4700 Höhenmeter in den Anden auf 1100 Meter im Amazonas, welcher ehemaliger Radsportler würde sich so etwas entgehen lassen? Zugegeben, man kann darüber streiten, ob es angebracht ist, an einem Ort an dem jährlich bis zu 200 Menschen den Tod fanden, einem Freizeitsport nachzugehen. Entsprechend schwer tat ich mich mit der Entscheidung die gefährlichste Straße der Welt mit einem Downhillbike talwärts zu fahren. Doch nachdem mir zwei Tage lang von jeder Ecke in La Paz die Werbeplakate der Tourenanbieter entgegenstrahlten und wie es schien, jeder einzelne Rucksackreisende in dieser Stadt mir adrenalingeschwängert davon berichtete, welch ein Ausnahmerlebnis es war, den Ritt entlang der Kante zurückzulegen, war es um mich geschehen. Ich klapperte unzählige Straßen ab, um schließlich mit "Radical Rides" einen vertrauenswürdigen Anbieter zu finden, der meinen Vorstellungen von Seriösität, zuverlässigem Equipment und Zusatzleistungen entsprach. Das Paket für umgerechnet 40 Dollar beinhaltete ein vollgefedertes Rad, Protektoren, Regenbekleidung, Transport, zwei erfahrene Guides, Verpflegung, eine Bilder CD und zu guter letzt eines der peinlichen Finisher-Shirt.

Am nächsten morgen um 7 Uhr ging es los. Unsere 5-köpfige und angenehm beschauliche Truppe war Jenny aus Deutschland, ein engliches Päärchen, ein verrückter Japaner und meine Wenigkeit. Zunächst ging die Fahrt auf den "La Cumbre Pass", dem Ausgangspunkt für den ganzen Wahnsinn. Dort verpackten wir uns in die Kampfmontur, hatten Gelegenheit, uns während einer kleinen Probefahrt mit den Rädern, Bremsen, Gangschaltung, Reifendruck und der Sitzposition vertraut zu machen und erhielten dann eine Sicherheitseinweisung, die in Anbetracht der Gefährlichkeit der bevorstehenden Unternehmungf für meine Begriffe erstmals auch ein wenig ausführlicher hätte ausfallen dürfen.
Immerhin, die wichtigsten Informationen kamen an. So zum Beispiel, dass die "Yungas-Straße", die einzige Straße in Peru ist, auf der Linksverkehr herrscht. Der Gund: Die links sitzenden Fahrer können so auf der engen Straße bei Gegenverkehr den Fahrbahnrand besser einsehen, dessen Überquerung ansonsten fatale Folgen hätte. Wir erfuhren aber auch, dass wir nur sehr selten mit Gegenverkehr zu rechnen hätten, da die Straße seit 2003 wegen ihrer Gefährlichkeit für den normalen Verkehr gesperrt worden war. Es folgten ein paar angsteinflößende Unfallstatistiken und am Ende erwähnte der Guide beiläufig, dass im vergangenen Jahr auch zwei Mountainbiker tödliche verunglückt waren. So erreichte der Guide das, was er mit seiner kleinen Ansprache bezwecken wollte. Wir waren mit Vorsicht geimpft, hatten eine gehörige Portion Respekt im Gepäck und waren uns einig, dass wir hier kein Rennen veranstalten würden sondern es einzig darum ginge, heil und unversehrt im Amazonas anzukommen.

Jetzt war die Spannung kaum mehr auszuhalten. Wir waren geladen. In aufgepumpter Aufregung ging es um 10 Uhr endlich los. Die ersten 20 Kilometer waren noch asphaltiert und wären alleine schon den Aufwand wert gewesen, hierher zu kommen. Auf der breiten, unbefahrenen Straße ging es durch eine grandiose Felskulisse bergab. Die langen und ausladenden Kurven verlangten kein einziges Bremsmanöver und so war es ein einziges, genussvolles Hinabrauschen, bei dem man noch einmal Zeit fand, das Fahrverhalten des Rades auszutesten. Da unsere Gruppe zahlenmäßig vergleichsweise klein und homogen und daher flexibel genug war, um schneller zu sein als die vielen anderen Gruppen, erreichten wir unter den ersten die kleine Senke, von der aus es nach einem kleinen Frühstück noch einmal kurz im Bus hinaufging bis zum Start der eigentlichen "Death Road".

Ab diesem Zeitpunkt verkehrten sich die Dinge. Geschwindigkeit und Fahrvergnügen standen nicht mehr im Vordergrund sondern vielmehr Vorsicht, Umsicht und überhaupt Sicht. Ein Grund nämlich, warum die Straße so gefährlich ist, sind die hier herrschenden Wetterbedingungen. Oft sorgen Regen und Nebel für sehr geringe Sichtweiten. Matsch, Erdrutsche und Steinschläge dagegen für einen desaströsen Straßenzustand. Kombiniert man diese Umstände mit einer einspurigen Straße, die ohne Leitplanken vorbei führt an Abhängen, die teilweise senkrechter nicht sein können, kommt am Ende die "Death Road" heraus.



Auch bei uns machte das Wetter seinem Namen alle Ehre und regnete und nebelte uns derart zu, dass wir alleine schon aus diesem Grund nicht in Gefahr liefen uns zu gewagten Geschwindigkeiten hinreißen zu lassen. Und so verloren wir zwar zügig aber kontrolliert Höhenmeter um Höhenmeter, fuhren unter Sturzbächen hindurch und durchquerten sämtliche Klimazonen Südamerikas. Am Ende kamen wir alle, von oben bis unten vollgesudelt mit Dreck, aber glücklich wie Bolle und in grenzenloser Euphorie überschäumend am Ziel an. Was für ein Tag!


Fun Facts:
  • Die Nördliche Yungas-Straße wurde während des Krieges zwischen Bolivien und Paraguay (1932-35) von Gefangenen gebaut. Viele Jahre lang war sie die einzige Verbindung, die das Amazonasgebiet im Norden von Bolivien mit der in den Anden gelegenen Hauptsadt La Paz verbindete. Heute gibt es eine neue Straße und die ursprüngliche Yunga-Straße ist für den normalen Verkehr gesperrt.
  • Bis zu ihrer Sperrung im Jahre 2003 starben auf der "Death Road" jährlich zu 200 Menschen. 1994 fiel alle zwei Wochen ein Fahrzüg über den Rand. Der schlimmste Unfall in der Geschichte Boliviens ereignete sich am 24. Juli 1983, als ein Bus den Abgrund hinabstürzte und 100 Menschen mit in den Tod riss.
  • Ein typisches Bild in den Straßen von La Paz sind die unzähligen Schuhputzer, die sich vermummen mit Skimasken, um in ihrer niedrig angesehenen Arbeit anonym zu bleiben.

Checklist:
  • die gefährlichste Straße der Welt überlebt
  • drei Tage lang von einer Überdosis Adrenlin gelebt
  • in einem Hostal mit Bier-Spa übernachtet

Montag, 7. Februar 2011

Schwimmende Inseln auf dem Titicacasee



Alleine sein Name ist so klangvoll, dass ein Besuch des Titicacasees für mich fast schon obligatorisch war. Doch dies war nicht der einzige Grund. Abgesehen von der Tatsache, dass dieses höchstgelegene schiffbare Gewässer der Welt (3810 Meter ü.M.) auf dem direkten Weg zwischen Cusco und La Paz lag, meiner ersten Anlaufstation in Bolivien, war dort vor allem kulturell einiges geboten. Auf dem knapp 200 Kilometer langen See wohnen nämlich heute noch mehr als 2000 Uruindianer, die ihre kleinen Dörfer wie schon vor hunderten von Jahren auf schwimmenden Inseln errichten und darauf leben.

Der Nachtbus spülte mich morgens um 7 Uhr direkt am Ufer des Titicacasees in Puno an. Ich hatte kaum geschlafen in dieser holprigen Nacht und war erledigt. Noch immer hatte ich mit der Höhe zu kämpfen. Zudem steckte mir noch die anstrengende Kletterpartie auf Machu Piccu in den Knochen, die vermutlich ebenfalls nicht allzu förderlich war für mein körperliches Befinden in diesen Tagen. Kurz vor der Abfahrt in Cusco hatte ich mir deshalb in einer Apotheke noch ein paar Medikamente gekauft, die angeblich helfen sollten gegen Übelkeit, Nasenbluten, Kopfweh und all die anderen Wehwehchen der Höhenkrankheit. Ohne wirklich zu wissen, was in den rot-weißen Pillchen steckte, aß ich artig eines nach dem anderen auf und wartete nun auf ihre Wirkung.

Die Wartezeit auf das Boot, was mich noch am selben Morgen zu den "Islas flotandes" schippern sollte überbrückte ich mit einer herzlichen Plauderei mit einer Verkäuferin von Handarbeiten, die auf dem Marktplatz nach Kundschaft suchte. Während dieses Gesprächs wurde mir überraschend bewusst, wie viel Spanisch ich mittlerweile dazu gelernt hatte in der kurzen Zeit, die ich in Südamerika auf mich alleine gestellt war: Von null auf Smalltalk in weniger als fünf Wochen. So konnte es weitergehen.

Um 9 Uhr legte das Schiff an für das Boarding. Mir war auf den ersten Blick klar welche Art von Veranstaltung dies werden würde. Denn offensichtlich lag der Titicacasee nicht nur für mich praktisch auf der Reiseroute gelegen, sondern auch für viele andere, namentlich vor allem japanische Pauschaltouristen, in deren Mitte ich mich plötzlich wiederfand. Die Fahrt begann mit einem nervtötenden Panflötenintro und der peinlichen Ansprache des "Tour Guides". Übermüdet ließ ich beides über mich ergehen. Doch spätestens als mir jemand versuchte eine Schwimmweste umzulegen, sträubte sich alles in mir. Dies konnte ich beim besten Willen nicht ertragen. Nicht auf diesem Boot. Nicht auf diesem topfebenen Teich. Nicht nach allem was ich fünf Tage lang auf hoher See zwischen Panama und Kolumbien erlebt hatte. Ich lehnte dankend ab und versuchte mich aufs Deck zu verkrümeln. Dies wurde mir aber prompt verwehrt - aus Sicherheitsgründen sei dort nur Platz für sechs Seelen. Ich beherrschte und überredete mich, dass die einzige Möglichkeit, diesen Morgen halbwegs genießen zu können darin bestünde, mich in mein Touristenschicksal zu fügen.

Der Plan ging auf. Wir kamen auf den Inseln an, wurden dort mit einem beschwingt fröhlichen Singsang von buntgekleideten Uruindianern empfangen und über die Insel geführt. Ich spielte das heitere Spielchen mit, kaufte mich sogar für ein paar peruanische Sol auf der 10-minütigen Zusatzrundfahrt auf einem der urtümlichen Schilfboote ein und nach einer Weile genoss ich es regelrecht, einmal völlig ungeniert mit meiner großen Kamera um den Hals bewaffnet herumzurennen und die Umgebung abzuschießen. Auch die Erklärungen unseres Tour-Guides wurden zunehmend spannender. Wir erfuhren wie das Wurzelwerk des Totora-Schilfs die schwimmende Basis für die Inseln darstellte. Überhaupt sei das Schilf die wichtigste Lebensgrundlage für die Uro-Indianer. Aus ihm würden die Boote für den Fischfang konstruiert und auch die einfachen Hütten bestünden daraus. Selbst in der Ernährung spiele das Schilf eine maßgebliche Rolle. Am Ende war der Besuch auf den schwimmenden Inseln trotz seines touristischen Charakters ein lohnenswertes Unterfangen. Und bei den wenig möglichen Einblicken hinter die Kulissen konnte man wage erahnen, wie das Leben weiter draußen auf dem See abläuft und welch großartige Gemeinschaft der indogenen Bewohner dahinter steckt. Zum Abschluss gab es noch den Titicaca Touristen Stempel in den Reisepass und fertig war die Tour.

Fun Facts:
  • Der ursprüngliche Grund für den Bau der "Islas flotandes" war der Schutz vor kriegerischen Inkas.
  • Der Namen des Titicacasees besteht aus zwei Wörtern der Quechua und Aymara Sprache: titi heißt „Große Katze“ oder „Puma“ und kaka heißt „grau“. Eine liegende Katze ist zu erkennen, wenn die Landkarte mit dem See auf den Kopf gestellt wird.

Checklist:
  • über schwimmende Inseln gelaufen
  • Im Schilfboot auf dem höchst gelegenen See der Welt gefahren