Dienstag, 12. April 2011

Abenteuer Allrad Teil 2: Flamingos und Geysire



Die Nacht war dramatisch. Der Himmel kippte sich förmlich über uns aus und es regnete unablässig. Als ob sich in dieser Nacht ein neuer Ozean dazu entschloss hatte, in Entstehung zu geraten, schüttete es aus allen Wolken und wollte gar nicht mehr aufhören. Da stieß selbst unser solides Salzhotel an die Grenzen seiner Schutzwirkung und der Regen bahnte sich in den frühen Morgenstunden allmählich und tröpfchenweise seinen Weg bis in unsere Schlafräume. Es wurde ungemütlich. Viel Zeit zum nass werden blieb dennoch nicht, denn bereits um 6:30 Uhr wurden wir zum Frühstück geweckt - schließlich stand uns ein langer Tag auf Rädern bevor.

Der erste Blick nach draußen verriet, was der Tag aber vor allem werden sollte: Abenteuerlich! Es stellte sich heraus, dass das gesamte Altiplano, das wir an diesem Vormittag durchqueren sollten überschwemmt und aufgeweicht war in Schlamm und Matsch. Wir machten uns bereit für eine wahrhaftige Allrad-Ralley. Die Fahrer der anderen Jeeps, die auch in unserem "Salzhotel" übernachtet hatten, beschlossen alle gemeinsam im Convoy zu fahren, um sich im Falle von Problemen gegenseitig aus der Patsche helfen zu können. Ein weiser Beschluss, wie sich später herausstellen sollte.

Nachdem sich unsere lustige Truppe in den Jeep gequetscht hatte, das Gepäck auf dem Dach verstaut war und Clown Louis mit seinen brasilianischen Gackerhühnern wieder das Bordentertainment an sich gerissen und allerbeste frühmorgendliche Laune versprüht hatte, ging sie los, unsere wilde Fahrt nach Chile.

Um es vorweg zu nehmen, dieser Off-Road Tag war landschaftlich mit das Spektakulärste was ich je gesehen habe. Dass man irgendwo auf der Erde innerhalb nur eines einzigen Tages derart vielseitige und abwechslungsreiche Eindrücke aufsammeln kann, kannte ich bisher nur von der Südinsel Neuseelands. Dort wie hier, wartet hinter jeder Kurve und hinter jedem Berg ein neues, überwältigendes Panorama auf den vorbeiziehenden Betrachter. Absolut faszinierend.

Doch der Reihe nach. Los ging die Ralley wie gesagt in der völlig überschwemmten Ebene. Die nächtliche Sintflut hatte die sonst angeblich gut passierbare Fläche in einen riesigen Schlammsee verwandelt. Ich war ernsthaft der Ansicht, dass ein Durchkommen unmöglich sei. Doch ich wurde eines Besseren belehrt - zumindest teilweise. Denn das Wunder Allrad schafft wirklich Unglaubliches. Mir war es ein absolutes Rätsel, wie wir uns tatsächlich vorwärts bewegen konnten in diesem Schlam(m)assel. Doch ganz offensichtlich ging es. Wie in einem Amphibienfahrzeug schaukelten wir stundenlang durch den braunen Mansch während seitlich von uns die Fontänen weg spritzten. Doch irgendwann kam, was kommen musste. Wir steckten fest. Glücklicherweise fuhren wir im Convoy und Hilfe war nah. Mit vereinten Kräften und einem furiosem Rückwärtsgang wurde der Karren wieder aus dem Dreck gezogen - im wahrsten Sinne des Wortes.

Gegen Mittag waren wir aus dem Gröbsten raus und die Schlammpartie fand mit zunehmendem Gewinn an Höhe allmählich ihr Ende. Wir waren nun in einer hügeligen, kargen und felsigen Steppe unterwegs, an deren Horizont sich majestätisch und grandios die schneebedeckten Vulkane abzeichneten. So sanft und anmutig die Landschaft auch war, so rauh und unbarmherzig war der Untergrund auf dem wir fuhren. Abermals hatte ich allergrößten Respekt vor den Ingenieursleistungen der Allrad Autobauer. Über schuhkartongroße, kantige Felsbrocken schmetterte unser Jeep hinweg als seien es kleine Kieselsteine - wie gesagt, mir war das alles ein Rätsel. Immerhin konnte ein Plattfuß mein Weltbild diesbezüglich wieder teilweise herstellen.

Der Höhepunkt des Tages kam farbenfroh zur Mittagszeit. Im rosa Gewand und auf Stelzen präsentierten sich uns ganze Heeresscharen von Flamingos. Überraschenderweise bevölkern die geselligen Watvögeln, die ich zuvor eigentlich ausschließlich mit Florida assoziert hatte, auch das bolivianischen Hochland, welches mit seinen fantastischen Bergen und den grün und rot gefärbten Seen eine wahrlich würdige Kulisse lieferte für den eleganten Auftritt der stolz stöckelnden Vögel.

Nach dem Essen gewannen wir weiter an Höhe, durchquerten bizarre Felslandschaften und vereinzelt sogar Schneefelder, bevor wir am frühen Abend unsere luftige Herberge für die Nacht erreichten. Es war bitterkalt. Die Kälte schlich durch alle Räume und wir froren wie junge Schlosshunde. Immerhin gab es als Vorspeise für das Abendessen eine duftige Gemüsesuppe. Ich hätte mich am liebsten reingelegt. Auch die Tatsache, dass ich nach bewährtem Zwiebelschichten-Modell sämtliche Klamotten trug, die in meinem Besitz waren, änderte nichts daran, dass ich die klirrend kalte Nacht über mit den Zähnen klapperte. Und so war auch der Weckdienst um 4:30 Uhr überflüssig, weil wir ohnehin schon alle wach lagen und die nächsten beiden Stunden herbeisehnten.

Diese führten uns zwar noch einmal weiter in die Höhe, endeten dafür aber an dem Geysirfeld "Sol de Mañana." Die dampfenden und fauchenden Fugen, dieser vulkanisch hochaktiven Gegend waren ein guter Anfang um die Körperkerntemperatur wieder etwas anzuheben. Die eigentliche Frosterlösung fanden wir dann aber pünktlich zum Sonnenaufgang in den auf 5000 Meter (!) hoch gelegenen heißen Quellen. Eine kochende Stunde lang lag unser gesamter Convoy in dem heißen Vulkanwasser und jede Minute davon war ein Hochgenuss. Erst als jede einzelne Zelle meines Körpers vollständig aufgeglüht war, verließ ich die ungewöhnliche Badewanne und fiel über das Pfannkuchenfrühstück her, das unsere gute Fee in der Zwischenzeit auf der Rückbank des Jeeps zubereitet hatte.

Hier trennten sich unsere Wege. Während der Rest meiner Jeep-Crew wieder zurück nach Uyuni fuhr ging meine Reise von nun an wieder alleine weiter. Denn die Grenze nach Chile war nur noch einen Steinwurf entfernt. Mit neuer Wärme und Energie im Blut verabschiedete ich mich von gewonnenen Freunden und machte mich auf in Richtung Atacama Wüste.


Fun Facts:
  • Die meist gespielten Lieder im bolivianischen Radio während der drei-tägigen Jeep Tour waren Whitney Houstons "My heart will go on" und Chris de Burghs "Lady in Red."
  • Die "Laguna Verde" des Nationalparks (Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Abaroa) ist wegen ihrem hohen Anteil an kupferhaltigen Sedimenten grün gefärbt. Die rote Färbung der "Laguna Colorada" kommt von der dort vorherrschenden Algenart und vom hohen Mineralstoffgehalt seines Wassers.

Checklist:
  • in Schlamm versunken
  • Flamingos gesehen
  • auf 5000 Meter bei Sonnenaufgang in heißen Quellen gebadet
  • Geysirdampf geatmet
  • in Schneeballschlacht gekämpft
  • gefroren
























































































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