Dienstag, 11. Januar 2011

Mehr Licht geht nicht!



"Es werde Licht!", sagten sich in den 60er Jahren die Stadtverantwortlichen von Medellin, und schufen ein kleines, beschauliches Festchen. Mittlerweile ist das "Festival de las Luces" zu einer der größten Veranstaltungen im Land gewachsen und alljährlich überstrahlen zur Weihnachtszeit Millionen von Lichtern die zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Vier Wochen lang, von Mitte Dezember bis Mitte Januar dauert das fantastische Spektakel und es ist einzigartig, welcher Aufwand dort betrieben wird. Ich habe mir sagen lassen, es sei die Mentalität der Medelliner, immer nach dem Besten, Höchsten und Größten zu streben. Vielleicht ist dies auch der Grund weshalb Medellin die einzige Stadt in Kolumbien ist, die über eine Metro verfügt. Welch ein Genuss übrigens, sich nach hunderten von Chickenbussen endlich mal wieder auf ein gut strukturiertes und modernes, öffentliches Verkehrsnetzwerk verlassen zu können.

Es dämmerte und wir standen auf einer großen Brücke, die gleichzeitig den Anfang des Lichterfestes markierte. Was sich vor unseren Augen auftat, war unbeschreiblich. Der ganze Fluß war überdacht mit kleinen Stegen auf denen riesige und in allen Farben leuchtende Räder installiert waren, die sich drehten. Sie wurden angetrieben durch Wasser, das in einem komlizierten Aufbau vom einem Ende eines jeden Steges zum anderen gepumpt wurde. Dieses Lichterkarusell zog sich sage und schreibe vier Kilometer lang flußabwärts. Lichter bis zum Horizont. Den Fluß flankierend fand dann das eigentliche Fest statt, vergleichbar mit einer Mischung aus Oktoberfest und Europapark. Während auf der einen Seite dieser Weihnachtsfanmeile unzählige Fressstände aufgebaut waren, standen auf der anderen Seite in regelmäßigen Abständen aufwendig inszinierte Miniaturfreizeitparks, durch die man hindurchlaufen konnte. Diese wahnsinnigen Lichtinstallationen, hatten als einzige Gemeinsamkeit Weihnachtsmotive zum Inhalt, unterschieden sich aber jeweils reichlich in Form, Farben und Figuren.

Mein holländischer Mitreisender und ich waren völlig geplättet von der überwältigenden Lichterflut. Ungwollt fanden wir uns zwischendurch auch selbst als Attraktion wieder. Da wir unter den anderen 250000 Besuchern so ziemlich die einzigen Westlichen Gesichter waren, stachen wir entsprechend heraus und wurden immer wieder angesprochen und angehalten, um abgelichtet zu werden. Lichter überall.



Die Krönung gab es zum Schluss. Eine riesige erleuchtete Wasserlandschaft, die zur Abkühlung einlud, bildete den Schlusspunkt der illuminierten Fluß- und Festmeile und diente gleichzeitig als Verbindung zu dem gegenüberliegenden Berg. Dieser war in seiner Gesamtheit gestaltet als womöglich die größte Weihnachtskrippe der Welt. Am Hang standen Esel, Hirtenhäuschen, Kaspar, Melchor und Baltasar und ganz oben natürlich die eigentlichen Protagonisten der Weihnachtsgeschichte. Allesamt waren überdimensional groß und in dem gleichen Stahl- und Maschendrahtgerüst konstruiert, mit der gleichen bunten Allufolie umwickelt und mit den gleichen Lichterketten umleuchtet, wie all die anderen fantastischen Aufbauten, die wir zuvor gesehen hatten. Die Aussicht von ganz oben und an der Seite des Christkindes war, im wahrsten Sinne des Wortes der Gipfel dieses grandiosen Schauspiels.

Fun Facts:


  • Das "Festival de las Luces" (auch "Alumbrado navideño de Medellín" genannt) ist ein Publikumsmagnet, in das mittlerweile mehr als 80 Unterveranstaltungen eingebettet sind.
  • Im Jahr 2008 wurden über 14 Millionen Lichter verwendet und mehr als 300 Kilometer Lichterketten verlegt.
  • Die Gesamtkosten, beliefen sich im Jahr 2009 auf umgerechnet 9 Millionen Dollar.

Checklist:
  • durch eine vier Kilometer lange Weihnachtsbeleuchtung gelaufen.

Montag, 10. Januar 2011

Bescherung per Skype



Eine unendliche Müdigkeit machte sich breit, als ich nach 5 Tagen Schifflein fahren endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte. Unsere komplette Überseecrew checkte ein im selben Hostel mit Innenhof, Swimmingpool, Dachterasse und allen möglichen anderen Annehmlichkeiten, die man sich nach so einer Odyssee nur wünschen konnte. Schnell noch eine Riesenportion Spaghetti, ein Bier und dann ab in die Falle. Ich schlief die Nacht durch wie ein Stein. Daran konnte nicht einmal die Tatsache etwas ändern, dass 10 Meter Luftlinie neben meinem Ohr eine Punkband die Nacht durch lärmte.

Am nächsten Morgen um 8 Uhr stürmte ich ausgeschlafen und frivol in meinen ersten Tag in Südamerika. Ich traute meinen Augen nicht, als im Hof meine drei australischen Schiffsgenossen noch immer wach waren und feierten. Neben ihnen standen eine beträchtliche Anzahl leerer Rum- und Colaflaschen. Das Rätsel um die außergewöhnliche Energieleistung der drei Partylöwen war schnell gelüftet. Wir waren jetzt schließlich in Kolumbien, wo bekanntermaßen nicht nur Weihnachten weiß gefeiert wird. Wie sich herausstellte hatten sich die Jungs nachts gleich mehrere Male in unserem Gemeinschaftsbad das ungestreckte Energiepülverchen durch die Nase gezogen und auf diese Weise die Nacht zum verlängerten Tag gemacht. Der Zauber hielt noch an, bis zum berühmten "Crash and Burn" gegen Nachmittag. Da sahen die Buben dann gar nicht mehr gut aus. Zu allem Unglück hatten sie 6 Stunden später einen Nachtbus ins Landesinnere gebucht. Wahrlich keine Kinder von Traurigkeit.

Es war Heilig Abend. Doch eine heilige und festliche Stimmung wollte irgendwie nicht aufkommen im 40 Grad brütenden Cartagena. Ich suchte nach ein Wenig Abgeschiedenheit in der wunderschönen Altstadt der Küstenmetropole. Aber gerade weil sie wirklich unübertroffen piktoresk, verspielt und eine einzige Augenweide ist, laufen hier auch ganze Heerscharen von Touristen rum. Nicht zuletzt wegen eben dieser Altstadt ist Caratagena eine beliebte Anlaufstation für Luxusliner und Traumschiffe.

Ich suchte die Flucht am Strand auf der anderen Seite der Stadt. Erfolglos. Auch hier reihte sich ein Hochhaushotel am anderen und die wenigen Flecklein Sandstrand waren maßlos übervölkert. Doch auf einem weit ins Meer reichenden Wellenbrecher gelang es mir, ein paar schöne Gedanken zu sammeln und mir vorzustellen, wie meine Liebsten in diesem Moment zuhause unseren alljährlichen Heiligabendspaziergang unter den schneebeladenen Tannen des Schwarzwalds unternahmen. Es war sehr eigenartig an diesem Tag alleine und am anderen Ende der Welt unterwegs zu sein. Ich vermisste meine Eltern und meinen Bruder.

Die gute Nachricht war, dass es mittlerweile so wunderbare Technolgien wie Skype gibt und wir um 22:30 Uhr MEZ (17:30 in Kolumbien) ein Liveschaltung vereinbart hatten. Es war ein sehr wohltuendes Gefühl plötzlich zuhause im Kreis der Familie zu sein. Alle strahlten, während im Hintergrund der kunstgeschmückte Christbaum leuchtete und wir gemeinsam zwei Lieder sangen. Jetzt kam Weihnachten auch bei mir an. Ich war gerührt. Als dann auch noch einer von Mamas selbstgebackenen Weihnachtsbrötchen durchs Bild huschte war ich nah dran, in meinen Rechner zu beißen. Ich beschloss, dass es jetzt Zeit war für die ferngesteuerte Bescherung, die ich von langer Hand geplant hatte. In der Wohnung hatte ich nämlich ein kleines Weihnachtspaket versteckt, welches die Zuhausegebliebenen nun suchen und öffnen sollten. Die Überraschung war gelungen und die Weihnachtsfreude in den Gesichter groß. Nach einer herzlichen Stunde verabschiedeten wir uns alle zufrieden und ich machte mich bereit für das zweite Weihnachtsfest an diesem Abend.

Dieses begann mit einem Reis-,Fleisch-, und Gemüsebrei, eingewickelt im Bananenblatt und endete mit Poolparty und Punkrockband in unserem Hostel. Und dazwischen lag noch das ein oder andere Glas Rumcola. Stille Nacht, heilige Nacht.

Fun Facts:

  • ein Tagesausflug von Cartagena entfernt liegt ein Vulkan, der anstelle von heißer Lava, warmen Schlamm spuckt. Das Schlammbad im Krater ist bei einem Besuch obligatorisch.
Checklist:
  • Weihnachtsspaziergang am Karibikstrand
  • an Heiligabend im Pool gebadet

Advent, Advent, die Sonne brennt

Sonntag, 9. Januar 2011

Todeszone Toilette



Das Paradies war teuer erkauft! Der Preis kam in Gestalt der zweitägigen Rückreise aufs kolumbianische Festland. Es war Horror in seiner reinsten Form. Selbst der Kapitän gestand im Nachhinein, dass er den Trip niemals gemacht hätte, wenn er nicht an Weihnachten zu seiner Frau in Caratagena gewollt hätte.

In aller Früh ging es morgens los. Wir machten das Boot startklar für die bevorstehende Fahrt nach Cartagena und mussten alle unsere Dinge gut verstauen und alles so befestigen, dass nichts umfallen konnte. Der Kapitän warnte uns, dass es sehr rauh werden würde und die Nacht eng, da es unmöglich sei, unter diesen Bedinungen draußen zu Schlafen, geschweige denn irgendwelche Hängematten aufzuhängen. Wir waren einmal mehr eingeschüchtert und schmissen uns, einer nach dem anderen, vorsorglich die Tabletten ein, die uns auf dem Hinweg schon so gute Dienste erwiesen hatten. Doch dieses Mal blieb die Wirkung aus. War ich immun geworden? Neben mir kotzte Troy die Cornflakes ins Meer. Offensichtlich ging es den anderen auch nicht besser. Nein, ich war nicht immun. Doch gegen diesen harten Seegang halfen nicht einmal mehr unsere Wunderpillen, die andernorts in der Lage waren, ein ganzes Ross umzuhauen. Mir war sterbensschlecht. Und an diesem Zustand sollte sich leider auch nicht mehr viel ändern in den nächsten 36 Stunden. In dieser Zeit bewegte ich mich ungelogen nur ein einziges Mal von meinem Fleck. Doch dazu später. Der Tag wollte nicht vorübergehen und Stunde um Stunde schleppte sich in schwindelerregendem Wellengang da hin. Ich konnte den ganzen Tag nichts essen. Auch das Abendessen fiel aus. Ganz abgesehen davon, dass es sowieso unmöglich gewesen wäre irgendetwas zuzubereiten hatte ohnehin niemand Appetit.

Die Nacht war das hässlichste. Ich war todmüde, wollte aber auf keinen Fall meinen Blick vom Horizont abwenden, dem einzigen ruhenden Pol in dieser unsäglichen Riesenschaukel. Nach links, nach rechts, nach oben, nach unten - und alles zur gleichen Zeit. Unaufhörlich und heftig wippte unser schwimmender Sarg über die unbarmherzigen Wellen. Die Segel hart am Wind, hatte unser Boot eine seitliche Neigung von gefühlten 45 Grad. Ich war regelrecht eingestaucht in einer kleinen Nische im Heckteil des Bootes. In regelmäßigen Abständen schwappte ein ordentlicher Schwall Wasser auf meine Hose und verhinderte den Schlaf, den ich ohnehin nie gehabt hätte. Immerhin hatte ich einen Platz im Freien und an der frischen Luft - alles andere wäre auch unvorstellbar für mich gewesen. Ich weiß bis heute nicht, wie die beiden Kolumbianerinnen den Trip überleben konnten. Sie waren die ganzen beiden Tage unter Deck am dunkelsten Ort des Bootes und gaben keinen Ton von sich.

Dann kam das Unvermeidbare. Ich hatte versucht den Gang zur Toilette mit allen Mitteln zu verhindern. Bis um 4 Uhr morgens war es mir gelungen, ihn herauszuzögern, doch es wurde davon nicht besser. Es half alles nichts, ich musste allernötigst ein großes Geschäft verrichten. Langsam versuchte ich aufzustehen, ohne den Blick vom Horizont zu lösen. So weit so gut. Der schwierige Teil begann mit dem Gang unter Deck. Dort lagen in pechschwarzer Umgebung die Leichen meiner Mitreisenden, über die ich irgendwie hinüberzuklettern versuchte. Die gottlose Schräglage und die ruppigen Auf- und Abbewegungen des Bootes waren dabei nicht von Hilfe. Genausowenig wie die Finsternis dort unten. Irgendwann hatte ich es dann geschafft und war im muffigen Vorderteil des Schiffes angelangt. Dort wusste ich immerhin, wo eine Lampe lag. Mir war schlecht. Ich hangelte mich zum Ort des geplanten Geschehens und nahm die nächste Herausforderung in Angriff - den eigentlichen Toilettengang. Luken auf, hinsetzen, festhalten, abstützen, festklammern, Hau Ruck. Ich spare mir an dieser Stelle alle weiteren Ausführungen. Es ging zwar alles gut, aber fest steht, dass die Mission "große Geschäfte" ein Abenteuer der ganz speziellen Art war und ich es nur ungern noch einmal wiederholen möchte.

Der Morgen nach der durchquälten Nacht fühlte sich gleich ganz anders an. Die See hatte sich ein wenig beruhigt, die Sonne schien und wir alle wussten, dass wir heute Abend wieder festen Boden unter den Füßen haben würden. Die größte Belohnung für unsere Strapazen gab es allerdings, als plötzlich ein gutes Dutzend Delphine neben uns herschwamm. Beinahe eine Stunde lang spielten sie mit Boot und Wellen und demonstrierten uns in unzähligen Sprüngen ihre Akrobatik. Wir waren aus dem Häuschen und beobachteten jede Sekunde des Schauspiels, bevor sich die meisten von uns für den Rest des Tages wieder mit Tabletten betäubten.



Am Abend dann die Erlösung. Land in Sicht! Von weitem sahen wir bereits die weißen Hochhäuser von Cartagena am Horizont aufblinken. Wir hatten es geschafft und waren tatsächlich nur noch einen Steinwurf von Südamerika entfernt. Die Stimmung während der letzten Stunde an Bord war großartig. Die See war mittlerweile friedlich geworden und zum Sonnenuntergang krochen alle aus ihren Löchern und verteilten sich an Deck. Ich suchte wieder meinen Lieblingsplatz ganz vorne auf der Relingsspitze auf und lauschte meiner Reisemusik, während wir der kolumbischen Küste entgegenstürmten. Es war ein triumphales Gefühl, als wir schließlich an der nächtlichen Skyline von Cartagena vorbeischipperten. Wir alle gratulierten uns und schlugen ein auf die überstandene Überfahrt. Der Kapitän brachte uns sicher an Land. Wir verabschiedeten uns herzlich und zogen weiter in die Altstadt, wo wir uns allesamt in einem Hostel einquartierten. Nur der Kapitän ging wieder zurück an Bord. Es war sein zuhause.

Fun Facts:
  • Nachts musste jeder von uns eine Schicht der Nachtwache übernehmen und die Augen offen halten nach Lichtern am Horizont. Im schlimmsten Fall wird man nämlich von einem großen Tankschiff übersehen und überfahren.
  • In der Bucht vor Cartagena kommt es teilweise immer noch zu Piratenüberfällen. Kapitän Marcos war hier selbst auch schon einmal in einer brenzligen Situation, war aber glücklicherweise bewaffnet und konnte die Piraten abschrecken. Er sagt, jeder der öfter durch diese Gewässer fährt sei zum eigenen Schutz bewaffnet.
Checkliste:
  • überlebt

Donnerstag, 6. Januar 2011

Kopfüber in die Karibik



Es war das Paradies. Um 6 Uhr wachte ich auf weil mir ein wenig kalt war. Ich hatte an Deck geschlafen, wie die meisten von uns. Meinem ersten zerknitterten Blick über die Reling mochte ich kaum Glauben schenken und richtete mich auf, reckte und streckte mich und rieb mir die Augen. Doch auch die vom Müdigkeitsschleier befreiten Augen projezierten ein unverändertes Panorama auf meine Netzhaut. Mein Herz geriet in Wallung, denn der Rundumblick war atemberaubend. Wir lagen geankert in einer kleinen Lagune, die umringt war von einsamen Palmeninseln, wie man sie sich nicht schöner hätte vorstellen können. Das Wasser leuchtete in sieben blauen Farben und war klar wie Kristall. Ein gutes Dutzend anderer Boote lag ebenfalls in den sanften Wasserschaukeln der "Badewanne", wie dieser Ort passenderweise genannt wird.

Nach und nach wachten alle auf und ließen Ihrer Begeisterung in Worten und Taten freien Lauf. Kopfüber in die Karibik - Frühsport in der Badewanne. Es folgte Herzhaftes: Kaffee, Pfannkuchen, Schinken, Spiegeleier und Fruchtshake. Was für ein Start in einen Tag.
Als erste Amtshandlung nach dem Frühstück, schwamm ich erst einmal auf die lockende Trauminsel, die uns die ganze Zeit schon anstrahlte. Gegen die Strömung dauerte es 20 Minuten, bis ich dort ankam. Dann war ich mutterseelenalleine auf einem der schönsten Flecklein Erde, die ich jemals gesehen hatte: 250 Meter Durchmesser, in fünf Minuten einmal komplett rund herum gelaufen, nichts als Kokospalmen und weißer Strand, in der Mitte ein Wasserloch, strahlende Sonne, eine frische Meeresbrise und eine Aussicht von der man am Liebsten nie mehr seinen Blick senken möchte. Gibt es diese Insel zu kaufen? Ich will sie sofort haben! Immer wieder musste ich mir bewusst machen, wo ich gerade war. Nicht oft im Leben gibt es Momente,  in denen man das Gefühl hat, angekommen zu sein. Dieser war einer davon. Ich genoss ihn eine geraume Weile, bevor ich eine kleine Unendlichkeit später wieder meinen Rückweg antrat.

Zurück an Bord, fand ich das Schiff ungewohnt geräumig wieder. Der Kapitän hatte nicht zu viel versprochen. Ich ließ mir berichten, dass die ganze Zeit während ich auf der Insel war, kleine Boote vorbeikamen um die bestellten und heiß ersehnten Güter abzuholen. Ich bekam gerade noch mit, wie zwei amerikanische Weltumsegler ihren bestellten DVD-Player abholten. Dass wir auf einmal mehr Platz hatten, verdankten wir aber vornehmlich der Tatsache, dass sich unser Boot bereits am Vorabend gepaart hatte mit einem anderen Boot, welches ebenfalls dem Kapitän gehört und das Jahr über unbewohnt in der Lagune schwimmt. Wir konnten uns also nun etwas großzügiger verteilen und lesender-, angelnder-, schlafender-, sonnender- und badenderweise dem Karibikalltag fröhnen. Zwischendurch unternahmen wir ein paar kleinere Schnorchelausflüge ans Riff, wo ich wieder alter Bekannte traf: Haie, Rochen, Barracudas, und all die bunten Fischlein, die hierzugegen eben so unterwegs sind. Und das war er, unser Alltag in der Karibik. Zwei wunderschöne Tage lang lagen wie hier auf der Sonnenseite des Lebens und mussten uns immer wieder anstupsen, um all dies zu begreifen.

Auch an den Mahlzeiten gab es nichts auszusetzen und wir speisten stets sehr lecker. Nicht selten gab es selbst Gefangenes. Vor allem die Trophäen unseres angelnden Holländers wurden meist direkt in Fischsandwiches für die Allgemeinheit verwandelt. An einem Abend gab es zur Kröung und quasi als vorgezogenen Weihnachtsbraten einen riesigen Truthahn. Abends saßen wir zusammen und tranken einen Satz eisgekühlter Biere. Es war ein wirklich lustiger Haufen, den wir beieinander hatten und wir verstanden uns alle gut. Wir spielten bis spät Gitarre, erzählten uns Witze und führten angeregte Gespräche. In den Nächten frischte meist der Wind auf und es begann zu regnen. Die Schnarcher wurden dann auf die überdachten Hängematten am Bug des Bootes verbannt. Wir anderen verteilten uns auf die restlichen und halbwegs geschützen Flächen an Bord und schlummerten ein in karibischen Träumen.


Fun Facts:
  • Am ersten Morgn nach unserer Ankunft gab es von einem der Nachbarboote folgende Durchsage über den Bordfunk: "Aquajogging um 9 Uhr hinter dem Boot Dreamcatcher. Wer selbst keine Schwimmnudel hat, kann sich hier welche ausleihen. 9 Uhr - Aquajogging - Dreamcatcher. Over."
  • Kuna Indianer, die auf den Hauptinseln etwas ausgefressen haben werden zur Strafe teilweise bis zu einem Monat lang auf einer einsamen Insel ausgesetzt.

Checklist:
  • in der karibik auf einem Segelboot übernachtet
  • in 5 Minuten quer über eine Palmeninseln gelaufen
  • selbst gefangenen Thunfisch gegessen
  • das Pardies gesehen

Mittwoch, 5. Januar 2011

Leinen los, wir fahren ab!



"Fünf Tage auf einem Segelboot durch die Karibik", das liest sich wie eine Anzeige in einem Magazin für Traumferien. Um es gleich vorweg zu nehmen: es sollten keine reine Traumferien werden.
Alles begann in Portobello. In unserer Abfahrtsbucht lagen eine ganze Reihe hübscher Boote, Yachten und Katamarane und in gespannter Erwartung fragten wir uns schon am Vortag, welches Boot es wohl sein würde, auf dem wir die nächsten Tage auf hoher See verbrächten.

Früh am nächsten Morgen holte uns Kapitän Carlos mit seinem kleinen Aussenborder Schlauchboot ab und schipperte im Slalom um all die zuvor gesehenen, hübschen Boote, bis wir schließlich an der "Melody" ankamen. Mit dem ersten Anblick kam die erste Ernüchterung. Das Schifflein war vergleichsweise klein und machte auch nicht den fortschrittlichsten aller denkbaren Eindrücke. Beim Betreten des Bootes war auf einen Blick klar: Das gibt ein Platzproblem! Zu unserer begeisterungsarmen Überraschung waren drei weitere Personen bereits an Bord: des Kapitäns mormonischer Steuermann und zwei kolumbianische Mädchen, die zuständig sein sollten für unser leibliches Wohl. Dazu kamen acht von uns - drei tätowierte australische Surfer, zwei neutrale Schweizer, ein ruhiger holländischer Angelfreund, eine krisenresistente Australierin, die seit 8 Jahren nicht mehr zuhause war und meine Wenigkeit. Zusammen mit dem Kapitän waren wir nun also zwölf Seelen an Bord eines 15 Meter langen Schiffchens, das bis obenhin vollgestopft war mit Lebensmitteln, Werkzeugen, zwei Motorrädern und allem möglichen anderen Gerümpel.

Es stellte sich heraus, dass Kapitän Marcos der Go-To-Guy ist in den Gewässern zwischen Panama City und Cartagena. Hier versorgt er regelmäßig die im San Blas Archipel ankernden Boote mit Fressalien und anderen nützlichen Dingen (z.B. DVD Player). Dafür verlangt er einen Aufpreis von respektablen 30%. Auf diese Weise verdient er, während der Backpackertrips, die für diese Versorgerei herhalten müssen, zusätzlich gutes Geld. Doch in seiner wortkargen "Ansprache" versicherte uns Marcos, dass der Räumungsverkauf gleich schon am nächsten Morgen stattfinden würde und es dann wieder genügend Platz an Bord gäbe. Danach klärte er uns über die geplante Marschroute auf: Die Anreise zu den San Blas Inseln solle einen Tag in Anspruch nehmen, der Aufenthalt im San Blas Archipel zwei weitere Tage und die Weiterreise auf hoher See nach Cartagena die letzten beiden Tage.

Dann folgten die drei heiligen Regeln:
1. Regel: "Wenn ihr die Toilette benützen müsst, verschließt immer und unter allen Umständen die Wasserventile, wenn ihr fertig sein - ansonsten wird es ein äußerst widerliches Unglück geben." Überhaupt waren wir Männer angehalten, zum Pinkeln gar nicht erst die ganz vorne im dunklen Bug versteckte Toilette aufzusuchen sondern statt dessen die Reling.
2. Regel: "Kein Mensch auf diesem Boot, außer mir rührt das GPS-Gerät an! Wenn wir das GPS-Gerät verlieren haben wir ein echtes Problem. Ist das verstanden?" Wir quittierten mit einem eingeschüchterten Nicken.
3. Regel: "Keiner fällt über Bord! Haltet Euch fest wenn ihr rumlauft. In den 10 Jahren, in denen ich diese Touren anbiete habe ich noch keinen einzigen Backpacker verloren. Das können nicht alle behaupten. Dies ist kein Spaß - haltet Euch fest! Wenn bei Dunkelheit jemand über Bord geht ist es nicht garantiert, dass wir ihn wieder finden - schon gar nicht bei dem Seegang, der zur Zeit herrscht. Klar?" Wir nickten noch eingeschüchterter.

Vor allem die letzte Regel räumte unsere letzten Zweifel beiseite bezüglich der Einnahme der kurzfristig besorgten Kotztabletten. Und noch bevor wir in See stachen, hatte jeder von uns Matrosen eine der Wunderpillen geschluckt. Dann ging es los! Der Anker gelichtet. Das Segel gehisst. Wir waren noch keine fünf Minuten unterwegs, da verstanden wir, warum es Regel Nr.3 gab. Die See war rauh und unsere kleine Walnussschale von einem Boot wurde zum Spielball der Wellen. Wäre einem von uns nach einem Bootspaziergang zumute gewesen, dann hätte er sich in der Tat stramm festhalten müssen, um nicht in Gefahr zu laufen über Bord zu gehen. Doch abgesehen von der "Todeszone Toilette", gab es zum einen gar keinen Platz wo man hätte hin laufen können und zum anderen waren wir alle ausreichend beschäftigt mit der Fixierung des Horizonts. Eine halbe Stunde später zeigten dann die Pillen ihre Wirkung. Ich will ehrlich nicht wissen, was in diese kleinen Reisefreunde alles reingemischt wurde. Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Schlafmittel, Morphium, Halluzinogene - Gott weiß was in diesem Moment alles durch unsere Blutbahnen rauschte. Wir waren alle ohnmächtig und es folgten lange Stunden in Halbschlaf und Delirium.

Als ich endlich wieder meinen Blick scharf stellen konnte und langsam Leben in meinen Körper zurückkehrte dämmerte es bereits und wir waren nicht mehr weit entfernt von unserem Tagesziel. Bald munterten wir alle vollends auf und gerieten geradezu in eine gesteigerte Euphorie, als wir in der Ferne plötzlich die ersten Silhouetten kleiner einsamer Karibikinseln ausmachen konnten. Wir hatten nun das schützende Riff erreicht, die See wurde ruhiger. Bald würden wir da sein. Es war ein unbeschreiblich reiches Gefühl von Freiheit, als ich mich irgendwann ganz vorne auf die schaukelnde Reling setzte und mit einer lauen und salzigen Brise im Haar dem Funkeln und Flackern des sich im Wasser spiegelnden Vollmondes zuschaute - dem Karibiktraum entgegen.

Fun Facts:
  • Die San Blas Inseln im karibischen Meer, bilden ein Archipel von mehr als 350 Inseln, die sich über knapp 180 Kilometer von Panama bis zur kolumbianischen Grenze erstrecken.
  • Die Inseln sind zu etwa 10% besiedelt und werden von den Kuna Indianern bewohnt und autonom verwaltet.

Checklist:
  • Kotztabletten gegessen

Sonntag, 2. Januar 2011

Erdrutsch in der Piratenbucht



Es war ein bitteres Gefühl am Morgen nach Svenjas Rückflug aufzuwachen und plötzlich niemanden mehr da zu wissen, mit dem man alles teilen kann, mit dem man lachen kann und mit dem zusammen man die täglichen Herausforderungen einer Reise bewältigen kann. Ich seilte mich an diesem Tag ab und bummelte gedankenverloren und sentimental durch die lebendigen Straßen von Panama City. Doch so sehr ich auch die gemeinsame Reisezeit vermissen würde, ich musste mich lansam mit dem Gedanken anfreunden, von nun an auf eigene Faust zu reisen.

Der Aufbruch ins Alleinereisen war stürmisch. Bevor stand der mit Abstand umständlichste und schwierigste Abschnitt des "Roadtrip Panamericana". Da nämlich die Verbindung zwischen Panama und Kolumbien aufgrund der Guerillaaktivitäten auf dem Landweg nur unter Einsatz von Leib und Leben möglich ist, sind die einzigen anderen Optionen Fliegen oder die Reise per Boot. Für einen einen anständigen Roadtrip war der Luftweg natürlich ausgeschlossen, blieb also nur die Wasserstraße zwischen Panama City und Cartagena - 5 Tage auf einem Segelboot!

Ich kontaktierte bereits Tage zuvor den Kapitän der "Melody", eines der wenigen Schifflein, die zu dieser unruhigen Jahreszeit diese Strecke auf rauher See überhaupt noch in Angriff nahmen. Ich hatte also meinen Platz gesichert, hatte ansonsten aber herzlich wenige Informationen. In der vorletzten Nacht vor der Abreise rief mich der Kapitän dann unverhofft im Hostel an und fragte, wo wir denn alle seien? Ich war verwirrt. Wo sollten wir denn sein? Und wer ist überhaupt wir?

Es stellte sich heraus, dass Carlos, der Kapitän, die Pässe aller Passagiere allerspätestens am nächsten Morgen bis 9 Uhr im 2 Stunden entfernten Portobello in Empfang nehmen musste, um die Ausreisestempel und allen möglichen anderen Papierkram zu erledigen. Ich fand mich plötzlich und ungewollt in der Rolle des Verantwortlichen dafür, dass sich alle Beteiligten bis dahin vor Ort einfinden würden. Die gute Nachricht war, dass alle Mitreisenden bei uns im Hostel wohnten, die schlechte, dass fast allesamt ausgeflogen waren, um sich in der Partylandschaft Panama Citys auszutoben. Entsprechend war es ein ganz besonderes Vergnügen und geradezu unmögliches Unterfangen, 6 völlig betrunkene Backpacker nach einer Stunde Schlaf um 6 Uhr morgens aus ihren Betten zu reißen und ihnen klar zu machen, dass wir quasi bald alle im selben Boot sitzen würden und wir deshalb jetzt und sofort aufbrechen müssten. Gott sei Dank gab es noch Stacey, eine krisenerprobte Australierin, die wie ich gut ausgeschlafen war. Wir beide schoben den unbrauchbaren Rest des Passagierhaufens durch alle möglichen Busse und Taxis, bis wir schließlich und endlich in Portobello ankamen und dem Kapitän unsere Unterlagen überreichten.

So viel zum spaßigen Teil dieses Tages. Das genaue Gegenteil von Spaß erwartete uns jedoch nur kurze Zeit später. Eigentlich ist Portobello ein richtig schönes und entspantes Dörflein in einer wahrhaftigen Piratenbucht. Überall stehen die Befestigungen und Kanonen aus Tagen, in denen noch erbitterte Kämpfe um Gold und andere Reichtümer ausgetragen wurden. Auf dem Aussichtpunkt konnte man es sich bildlich vorstellen, wie plötzlich ein großes Piratenschiff in die Bucht einbog und die Kanonen donnerten und Musketen krachten.

Das alles war jedoch überschattet von den furchtbaren Erdrutschen, die sich vor ein paar Tagen hier ereignet hatten. Die Hauptstraße wurde direkt am Ortseingang samt anliegenden Häusern von zwei gewaltigen Schlammlawinen weggerissen. Die Bilanz: 8 Tote!
Die Tragweite des Unglücks war erdrückend und die Stimmung im Ort und auch unter uns auf dem Nullpunkt. Es war das Thema, das alles beherrschte, und das Gesicht des Unglücks war erschreckend. Es war nicht zu vermeiden den Unglücksort und die ganze Tragödie mit eigenen Augen zu sehen, denn schließlich war er direkt und unmittelbar da - grausame Eindrücke, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen werden. Am Nachmittag fand die Beerdigung statt, und es schien als ob die ganze Region angereist war um Anteil daran zu nehmen. Auch Fernsehsender und Politiker waren vor Ort. Wir auch. Ein trauriger Tag.

Happiness!



"Happiness feels a lot like sorrow", so beginnt die zweite Strophe eines der Reiselieder, die Svenja und mich über tausende von Kilometer hinweg begleitet haben. Am Ende unserer gemeinsamen Reisezeit lieferte uns diese Zeile in wenigen Worten den Grund für die gemischten Gefühle, die sich in diesen Tagen unter uns breit gemacht hatten. Denn auch wenn wir die letzten schönen Momente so lange wie irgendmöglich aufhalten und nicht sterben lassen wollten, auch wenn die scheidenden Stunden melancholisch und bekümmert waren, so wurde uns durch den näher rückenden Abschied doch erst richtig bewusst, wie viel Wertvolles und welches Glück wir gefunden hatten auf dieser Reise. Ein Glück, das sich in diesem Moment zwar sehr traurig anfühlte, von dem wir aber andererseits wussten, wie kostbar und beständig es in Wirklichkeit war. So vieles gemeinsam erlebt zu haben, alles miteinander geteilt zu haben und uns so aufrichtig kennengelernt zu haben - das sind die Dinge, die eine solche Reise so unschätzbar und echt machen. Und zu ihr gehört stets der Neuanfang, das Abschiednehmen und das was währt und bleibt.

Immer wieder in die Weite,
über Länder an das Meer,
Phantasien, in der Breite
schwebt am Ufer hin und her!
Neu ist immer die Erfahrung:
Immer ist dem Herzen bang,
Schmerzen sind der Jugend Nahrung,
Tränen seliger Lobgesang.
(Johann Wolfgang von Goethe)


Fun Facts:
  • Svenja ist ein Gemütlichkeitsprofi. Ein ausgefeiltes und lang erprobtes Arrangement von Nackenkissen, Kapuzenpulli, Schlafsack, Wollsocken und normalen Kissen garantiert Svenjas Schlaf selbst in noch so unbequemen Bussen.
  • "Ich frier" und "Muss mal" standen in den Top 10 von Svenjas am häufigsten gebrauchten Wortkombinationen.
  • Mit Bravour meisterte Svenja die harte Schule des "Pipitrainings" - über 6 Stunden im Bus, ohne auf die Toilette zu gehen.
  • Gewöhnlich dauert es keine 30 Sekunden bis jeder freie Fleck in einem neu bezogenen Hostelzimmer flächendeckend mit Svenjas Rucksackinhalt belegt ist.
  • Berge erklimmen, Nachtbusfahrten, Dschungelwanderungen, im Regen schlafen, Wellenreiten, Freiheit atmen, Streetfoodexperimente, auf Vulkanen rutschen, mit Haien schnorcheln, Feste feiern, Sandburgen bauen, es gibt nichts was Svenja nicht mitmachen würde. "Reisen mit Svenja." - ich würde es immer wieder buchen :)

Checklist:
  • Abschiedstränen vergossen

Happiness - The Fray:
http://www.youtube.com/watch?v=R6G136-D7Go


Mittwoch, 29. Dezember 2010

Im Discobus durch Panama



Ein Bus randvoll gepackt mit Menschen, Grundgeschwindigkeit 12 km/h dazu vier Zilliarden Dezibel und tropische Temperaturen - was sich anhört wie eine ganz normale Fahrt im Chickenbus durch Mittelamerika ist es in diesem Falle nicht. Statt dessen handelt es sich um das in Panama City berühmt berüchtigte Phänomen "Discobus".
In der Partymetropole ist es geläufig, dass Geburtstags- und andere feierwütige Gesellschaften sich mehrere Stunden lang tanzender- und trinkenderweise in einem Bus durch die Hauptstadt bewegen, bevor sie schließlich in irgendwelchen Clubs die Nacht zum Tag werden lassen. Zu diesen Anlässen gibt es ganz spezielle Busse, die mit so ziemlich allem aufwarten, was das Partyherz begehrt: Discokugeln, Stripteasestangen, Lichterketten, Stroboskop, DJ-Pult, Kühlschrank und selbstverständlich auch eine große und lange Theke. Da keine Lichtmaschine der Welt genug Saft hergeben könnte, um dieses ganze Spektakel mit ausreichend Strom zu versorgen, wird auf dem Dach zusätzlich ein Generator betrieben - fertig ist der "Discobus".

Auch unser Hostelmanagement mietete eines Abends einen solchen Discobus an und versuchte damit der durch den Wasserausfall zu kippen drohenden Stimmung im Hostel ein Stück weit entgegenzuwirken. "Partyspaß auf heißen Rädern - all you can drink" so oder ähnlich hieß denn auch das Motto der Veranstaltung. Wir ließen uns auf das Experiment ein. Und so tanzten und tranken wir gemeinsam mit 80 ungeduschten Backpackern unseren Weg durch Panama City. Laut, langsam, lustig.

An einem Punkt fragten wir uns, wieso um alles in der Welt wir uns, nach all den tausenden, anstrengenden Kilometern, freiwillig noch einmal in einen derart brechend vollen und ultralahmen Bus setzen wollten. Aber die Antwort war schnell gefunden, war flüssig, roch streng nach Alkohol und gab es in Massen an der Theke. Boom, Boom, Boom!


Fun Facts:
  • Motor-, Auto- und Tuningfreaks aufgepasst! Ohrenbetäubender Doppel-Monster-Auspuff, hochwertigste Innenbeschallung, extrem aufwendige Lackierungen und Außenbemalungen - so sieht standardgemäß Panamas öffentlicher Nahverkehrsbus aus. Auf allen Straßen, an jeder Ecke, in sämtlichen Gassen hupen und röhren einem die aufgepimpten Brummis entgegen, keiner gleicht dem anderen und jeder für sich ist es wert, ein Museum zu sein.

    Checklist:
    • Im Bus getanzt
    • Bergfest gefeiert

    Samstag, 25. Dezember 2010

    Notstand in Panama City



    Dann kam der Regen. Wir wussten bereits aus den Nachrichten, wie furchtbar es in den letzten Tagen in Panama geregnet hatte. Es war daher fast unvermeidbar, dass wir davon auch unseren guten Anteil abbekommen würden. Und wir bekamen ihn - mehr als uns lieb war.
    Die dürsteren Vorboten zeichneten sich bereits am Morgen unserer Abreise aus Farallon in Form von bedrohlich wirkenden, dunklen und unheilbringenden Regenwolken am fernen Horizont ab. Das passte zu unserer Gemütslage an diesem Tag. Wir hatten in den letzten Tagen zwar schon häufiger davon gesprochen, wie es wohl sein würde, wenn wir unsere letzten gemeinsamen Straßenkilometer zurücklegen würden, aber wir waren auch immer wieder sehr gut darin gewesen, diese Gedanken schnell zu verdrängen. An diesem Morgen stand der unvermeidbare Moment dann aber plötzlich und gewaltig vor uns - die letzten 100 Kilometer gemeinsam auf der Panamericana. Uns beiden wurde komisch bang ums Herz. Noch aber lagen vier volle Tage vor uns, bevor Svenja endgültig ihre Heimreise antreten würde und wir wollten in diesen Tagen noch viel zusammen unternehmen und jede wetvolle Stunde auskosten. Wir versuchten also die melancholischen Gedanken hinten anzustellen und uns der Sonnenseite zu widmen.

    Dumm war nur, dass es um die Sonne nicht allzu gut bestellt war. Denn bereits eine Stunde bevor wir Panama City erreichten begann es aus allen Himmeln runterzuschütten. Unaufhörliche Regenmassen waren das. Da wir auf unserer Reise bisher so gut wie keinen Regen erlebt hatten, glaubte ich zunächst, diese Wasserstürme besonders heftig zu empfinden. Aber sie waren tatsächlich sehr heftig. Sie waren sogar so heftig, dass die gesamte Wasserversorgung in Panama für zwei Tage zusammenbrach. Angeblich waren 5 der 7 riesigen Reservoirs, die die Stadt mit Wasser versorgen aufgrund der Überschwemmungen außer Gefecht gesetzt - geradezu ein ironischer Umstand. Allerdings auch ein sehr dramatischer. Man stelle sich vor, eine Millionenstadt zwei Tage ohne fließendes Wasser. In unserem Hostel konnte man nicht mehr auf die Toilette gehen, Geschirr häufte sich an, kein Kochwasser mehr, kein Händewaschen, Zähneputzen, Duschen. Schnell wird einem da bewusst, wie sehr wir auf fließendes Wasser angewiesen sind. Es war das Dauerthema, das die Stadt in Atem hielt.

    Glücklicherweise hatte Panama City einiges an Regenaktivitäten zu bieten - Langeweile ausgeschlossen. Vor allem das Christmas-Shopping war groß geschrieben in diesen Tagen. Am zweiten Tag besuchten wir einen absolut gigantischen Mall. Wir gingen darin buchstäblich verloren und hatten unsere liebe Mühe, den Ausweg wieder zu finden. Der Shoppingtag tat gut und es fühlte sich irgendwie großartig an, endlich einmal wieder maximalem Kommerz ausgesetzt zu sein.

    Am ersten regenfreien Tag besuchten wir schließlich den letzten und großen Sightseeing Höhepunkt unserer Reise durch Mittelamerika: der Panama Kanal. Schon bei der Anfahrt in unserem Taxi sahen wir von Weiten die unwirklich wirkende Szene eines riesigen Tankschiffs, das so aussieht, als würde es förmlich durch eine tropische Hügellandschaft manövrieren. Der größtenteils von Amerikanern gebaute Kanal verbindet die Karibik mit dem Pazifik. In der Mitte liegt ein Stausee, auf den die Tanker zunächst hoch und dann wieder nach unten geschleust werden müssen. Die Schleusen sind damit der Engpass und liefern gleichzeitig die Kulisse für das langwierige Schauspiel, das sich unzählige Male am Tag wiederholt. Wir blieben eine überdurchschnittlich lange Weile auf der Aussichtsplattform und schauten fasziniert zu, wie sich Tanker um Tanker durch die engen Schleusen schob.


    Fun Facts:
    • Die Kosten für die Passage durch den Panama Kanal richtet sich nach Gewicht - im Schnitt 300.000 Dollar pro Schiff!
    • Durch den Panama Kanal fahren ca. 40 Tanker pro Tag.
    • "Panamax" ist das Maß, der maximalen Breite, die ein Schiff haben kann, um durch die Schleusen des Panama Kanals zu manövrieren. Die meisten Schiffe, werden eigens hierfür maßangefertigt.
    • Der höchste Punkt, des Panamakanals liegt 26 Meter über dem Meeresspiegel. Die Gesamtlänge aller Schleusen zusammen genommen ergibt ca. 3 km.
    • In seiner hundertjährigen Geschichte musste der Panama Kanal erst zwei Mal geschlossen werden. Kurz vor unserer Ankunft dann aufgrund der heftigen Regenfälle ein drittes Mal. Siehe auch: Spiegel Online.

    Checklist
    • Über den Panama Kanal gefahren
    • geshopt auf dem Weihnachtsmarkt von Panama City

    Fällt die Festung?



    "Unzerstörbar" - so lautete die Bauanleitung für die Sandburg, die wir am ersten Tag unseres Panamaaufenthaltes in Angriff nahmen. Das architektonische Mammutprojekt hatte alle Schikanen - angefangen vom Gefängnis über den Burggraben bis hin zu den Wellenbrechern vor der aufwendig konstruierten Doppelmauer. Die Umsetzung nahm beinahe einen ganzen Tag in Anspruch und beschäftigte unser insgesamt 7-köpfiges, frischbefreundetes Bauteam. Wir waren in Farallon angekommen, einem kleinen Küstenörtchen an einem wellenarmen Strand auf der pazifischen Seite Panamas. Dort waren wir eingeladen worden über mein "Book-of-Faces"-Projekt. Unser kanadischer Gastgeber Marc Bonds ist gerade dabei einen geeigneten Ort zu suchen, um in Panama ein Backpacker Hostel aufzubauen. Dass er für diesen Job der richtige Mann ist würden Svenja und ich sofort unterschreiben. Schließlich war sein derzeitiges Appartment im weitesten Sinne bereits eine Art Hostel. Die geräumige Residenz teilt Marc mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen von Architekten und Bauarbeitern aus Kolumbien und Panama. Das Zimmer in dem wir schliefen hatte insgesamt 6 Betten für zusätzliche Gäste, von denen auch bereits welche da waren. Laut Marc sind die Betten auch für die nächsten Wochen schon voll "ausgebucht". Wir sind uns sicher, der nächste Lonely Planet über Panama kann unmöglich ohne einen Eintrag über Multi-Kulti-Marc auskommen.
    Wir hatten jedenfalls eine überragende Zeit in Farallon und genossen unsere Bade- Sonnenstunden am am Pazifik, der uns ein letztes Mal auf dieser Reise gemeinsam mit seinen warmen Wogen umarmen sollte. Am Ende des Tages umarmte der Pazifik allerdings auch unsere glorreiche Sandfestung, die trotz vereinten Kräften und Abwehrversuche seiner Flut nicht standhalten konnte. Die Königin war für immer verloren. Wir aber hatten neue Freunde hinzu gewonnen.

    Checklist:

    • Sandburg gebaut
    • mit Affe geschmust

    Donnerstag, 23. Dezember 2010

    Das Leben ist eine Tankstelle



    Costa Rica bedeutet übersetzt "reiche Küste". Leider wurde uns auch direkt klar, wo der ganze  Reichtum herkommen muss - von uns. Nirgendwo sonst in Mittelamerika mussten wir so tief in die Tasche greifen, um die einfachsten Dinge des Lebens zu regeln, wie hier. Abends ausgehen zum Abendessen war der Fehlplan. Wir wähnten uns besonders schlau und entschlossen uns, am ersten Abend einzukaufen und in der hosteleigenen Küche selbst zu kochen ansatt astronomische Summen für einen halben Finger breiten Hamburger und drei Pommes Frites zu berappen. Doch zu früh gefreut. Sämtliche Supermärkte an der Küste Costa Ricas sind fest in chinesischer Hand und die Preise in etwa vergleichbar mit denen einer Araltankstelle auf der A5. Für eine einzelne Zwiebel blätterten wir lockere $ 1,30 auf den Tisch und so wurde unser Töpflein "Spagbol" am Ende ein relativ absurder Luxus.

    Aber ist man erst einmal einige Tage am selben Fleck, findet man selbst in Costa Rica ein paar Schnäppchen und man kommt durch den Tag, wenn auch etwas asketischer als an anderen Orten auf unserer bisherigen Reise. Doch schließlich waren wir weniger zum Essen als vielmehr zum genauen Gegenteil hierher gekommen - Aktivurlaub. Genauer gesagt, Wellenreiten. Und das war grandios! Wir verbrachten in Costa Rica 9 Tage auf dem Meer und probierten uns in den Wellen dreier verschiedener Surfspots: Montezuma, Mal Pais und Dominical.

    In diesen kleinen Örtchen, die meist nur aus einer handvoll Hostels, Supermärkten und Restaurants bestehen dreht sich im Grunde alles nur um eines: das Surfen. Einheimische und Touristen gleichermaßen teilen sich die Wellen und größtenteils weht hier ein äußerst angenehmes Lüftchen freundschaflticher Atmosphäre  wie man sie nur an solchen Orten vorfindet, wo sich viele Gleichgesinnte treffen.

    In Mal Pais fand sich sogar gleich die versammelte Elite mittelamerikanscher Gleichgesinnter ein, denn dort wurde zu unserer Überraschung ein großer Surfcontest veranstaltet. Flankiert von hübschen "Reef-Girls" stürmten die Könner der Szene das Wasser um der Menge und der Jury ihr ganzes Repertoire unter Beweis zu stellen. Dies gesehen, bleibt festzustellen, dass ich auf jeden Fall noch ordentlich Luft nach oben habe in dieser Sportart.

    Auf dem Weg zu einem der Surfstrände ereignete sich noch eine sehr ergreifende Szene. Während unseres knapp 40-minutigen Fußmarsches zu der einzig surfbaren Welle der Gegend entdeckten wir eine große gestrandete Schildkröte. Beim Versuch ihr wieder zurück ins Wasser zu helfen bemerkten wir erst, wie sichtlich geschwächt sie war. Ein vorübergehender Einheimischer erzählte uns, dass es üblich sei, dass Schildkröten am Ende ihrer Tage wieder zurück an ihren Geburtsstrand kehrten, um dort den großen Kreis des Lebens zu schließen. Wir ließen den Dingen also ihren Lauf und wurden ehrfürchtig und andächtig Zeuge der letzten Atemzüge eines langen Lebens. Es war ein sehr spezieller und melancholischer, ja geradezu feierlicher Moment dem wir ungewöhnlich nahe beiwohnen durften und unsere letzte Ehre erweisen konnten.


    Fun Facts:
    • Verkehrte Welt in Costa Rica - hier sind es Rucksackreisende, die die Strände rauf und runterrennen, um Getränke, Essen und Handarbeiten zu verkaufen und versuchen, sich damit einigermaßen über Wasser zu halten.
    • in Costa Rica haben auffallend viele Menschen Goldzähne
    • Geschwindigkeitsminusrekord: 120 km Chicken Bus in 12 Stunden
    • Fortbewegungsmittel Nr.1 in den kleinen Surforten entlang der Küste sind Quads.

    Checklist:
    • Sparmaßnahmen: eigenes Frühstück, Mittagessen, und Abendessen zubereitet
    • neben Stingrays gesurft
    • Skat mit Hans gespielt (da uns zum Skat spielen stets der dritte Mann fehlte, musste kurzfristig unser fiktiver Hans einspringen. Skat spielen mit Hans ist allerdings nur mittelmäßig befriedigend, denn Hans ist nicht der allerbeste Spieler und weiß nicht immer alle Farben, geschweige denn die Trümpfe zu bedienen. Unterhaltsam ist Skat mit Hans aber allemal.)


    Freitag, 10. Dezember 2010

    Volcano Boarding - 72 km/h auf Vulkanasche



    Die Taucherbrille sitzt, der Reißverschluss des orangefarbenen Overalls ist bis zum Anschlag hochgegzogen, beide Hände klammern fest am Plastikgriff des knapp 40 cm breiten Spanholzbretts - es gibt jetzt kein zurück mehr. "Three, two, one - GO!!", animiert der Guide - dann sehe ich nur noch Staub.

    Volcano Boarding heißt der neue Fun-Sport, der adrenalinentflammte Backpacker aus aller Welt auf den Gipfel des Cerro Negro lockt. Ein Australier, der in Queensland mit Sandboarding aufwuchs erkannte das Potenzial des 728 Meter hohen und immer noch aktiven Vulkans, der im steilsten Stück ein Gefälle von 41 Grad aufweist. Er gründete 2005 das "Bigfoot Hostel" in der unweit entfernten Kolonialstadt Leon. Alleine die wunderschöne Universitätsstadt ist schon einen mehrtägigen Aufenthalt wert, doch durch den neuen Traveller-Magneten "Volcano Boarding" scheint für die ganze Region ein touristischer Glücksgriff gelungen zu sein. Mittlerweile sind die Touren des Bigfoot Hostels fast jeden Tag ausgebucht und auch weitere Anbieter haben die Attraktivität des Angebots erkannt und in ihr Leistungsportfolio aufgenommen.

    Voraussetzung für die Massentauglichkeit des Sports war zunächst allerdings die Entwicklung eines geeigneten Schlittens, der in der Lage war die Hochgeschwindigkeitskandidaten halbwegs heil und unversehrt talwärst zu geleiten. Der mehrjährige Reifungsprozess brachte schließlich die heutige Spanholzplanke hervor, die am Boden mit einer Metallplatte und einem mit Kunstharz imprägnierten Schichtstoffstück verstärkt ist. Bremsen sucht man bei dem Holzprojektil vergeblich, denn wer bremst verliert.

    Das wusste auch unser Guide, der uns nach dem einstündigen Aufmarsch zum Kraterrand seine minimalistische Sicherheitseinweisung erteilte. Wir wurden darüber belehrt, dass die beste Balance dann gewährleistet sei, wenn der Hintern genau in der Mitte des Brettes säße. Steuern und bremsen könne man, indem die Füße abwechselnd links und rechts leicht den Boden berührten. Ein allzu hartes Bremsen solle man allerdings vermeiden, da dann die Gefahr eines durchaus schmerzerfüllten Sturzes bestünde. So viel zur Theorie.

    Der Praxisteil war in meinem Fall dann jedoch jenseits aller Kontrolle. Steuern - Fehlanzeige. Bremsen - maximale Fehlanzeige. In kürzester Zeit erfuhren mein Schlitten und ich die ganze Tragweite und die Zusammenhänge von physikalischen Konzepten wie Gravitation, Reibung und Beschleunigung. Auf halbem Weg wurde mir schließlich auch klar, was der Guide mit seiner finalen Anweisung meinte, man solle davon absehen, bei der Abfahrt vor lauter Begeisterung zu lachen. Was ich zunächst für einen ironischen Witz hielt war purer Ernst. Denn spätestens bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h fliegt einem der halbe Vulkan ins Gesicht. Meine Radarpistole registrierte am Ende stolze 72 km/h. Und da ich bei meiner Höllenfahrt neben der Sturzangst auch ausgesprochen viel Spaß hatte, musste ich später entsprechende Unmengen an Geröll wieder aushusten und von meinen Zähnen kratzen.

    Mein Hintermann hatte es jedoch bei Weitem unangenehmer erwischt. Er absolvierte einen der obligatorischen Quotenstürze und wollte nicht auf die Zielgerade einbiegen, bevor er nicht noch eine Reihe von spektakulären Überschlägen aufs Lavaparkett zauberte und sich dabei die komplette rechte Oberschenkeltapete abschürfte.

    Fazit: Volacano Boarding bringt jede Menge Spaß und Lava in die Backen, sollte man mal gemacht haben, muss aber niemand zwei mal gemacht haben.

    Für die einen zur Linderung köperlicher Schmerzen, für die anderen als Katalysator für triumphale Heldengeschichten des Tages - als die adrenalingeschwängerte Meute wieder ins Hostel zurückkehrte standen für jeden zwei landestypische Mojitos bereit. Auf diese Weise wurde ein äußerst erlebniserfüllter Tag in ausgelassener Geselligkeit besiegelt.

    Hier geht's zum Vulcano Boarding Video!


    Fun Fact:
    • Der Geschwindigkeitsrekord beim Volcano Boarding liegt derzeit bei 84 km/h.
    • Der Franzose Eric Barone brach 2002 auf der selben Strecke mit 172 km/h nicht nur den Geschwindigkeitsrekord auf einem Mountainbike sondern dabei auch mehrere Rippen und alle möglichen anderen Knochen.
    • Der jüngste Ausbruch des Vulkan Cerro Negro ereignete sich im Jahr 1999. Bei jeder Eruption wächst der Vulkan um ein Stück an.
    • Die in Leon um 1860 nach über 100-jähriger Bauzeit fertiggestellte Kathedrale León Basilica de la Asunción gilt als die größte und älteste Mittelamerikas.
    • Die Reiseatmosphäre in Nicaragua ist großartig. Überall begegnet man freundlichen und zuvorkommenden Menschen. Nicht zuletzt gilt Nicaragua als eines der sichersten Ländern in Mittelamerika.

    Checklist:
    • mit 72km/h einen Vulkan "geboarded"
    • stinkenden Schwefelgeruch eingeatmet

    Montag, 6. Dezember 2010

    Die längste Welle



    Urlaub vom Urlaub lautete unsere Mission in El Salvador. Wir waren zu Gast bei Basti und Nadine, gute Freunde von zuhause, die schon seit zwei Jahren in San Salvador leben und dort an einer deutschen Schule unterrichten. Wie es sich mit deutschem Lehrergehalt hierzulande leben lässt ist beeindruckend. Denn die mehrstöckige und großzügige Wohnung in San Salvador ist nur eine von zwei Immobilien, die den beiden für die Dauer ihrer Residenz zur Verfügung stehen. Die andere ist das stattliche Strandhaus, in dem wir während unseres einwöchigen Aufenthalts die meiste Zeit verbrachten: zwei große Schlafzimmer mit jeweils eigenem Bad, ein Kinderzimmer, eine Küche im Freien, eine riesige Dachterasse mit Hängematten, und natürlich der beleuchtete Pool, der umzingelt ist von Kokospalmen. Jackpot.

    Die beste Nachricht aber ist, dass nur unweit entfernt von dem sonnendurchfluteten Erholungsparadies einer der geilsten Surfspots liegt, die ich bisher gesehen habe. Die Wellen brechen sehr weit draußen und es bedarf schon eines kleinen Kraftaktes dort überhaupt erst einmal hinaus zu paddeln. Ist man aber erst einmal da, rauschen dort reihenweise wuchtige Wellen landwärts. Da die Wellen immer wieder am gleichen Punkt und vergleichsweise langsam brechen, herrschen perfekte Konditionen. In regelmäßigen Abständen kommen sehr hohe Sets rein und bekommt man davon eine Welle ab, kann es sein, dass die einen bis ganz vor an den Strand trägt - beinahe 50 Sekunden lang auf der ein und derselben Welle! Ein herrlicher Ritt!

    Die Wellenzeit in San Salvador war schlicht überragend. Vor allem aber war El Salvador die Zeit, in der es gut tat, wieder einmal Freunde von zuhause zu sehen, gute Gespräche zu führen, gut zu essen, viel zu lachen und eine Pause zu haben von dem ganzen Reiserummel. Wir durften ein Stück mit eintauchen in das Erlebnis, von zuhause wegzuziehen und sich eine Existenz in einem fernen Land aufzubauen, mit all seinen Höhen und Tiefen. Es gehört immer eine gehörige Portion Mut zu einem solchen Schritt ins Ungewisse, doch wer ihn erst einmal gegangen ist wird zumeist dafür belohnt.

    Mit dieser Erkenntnis verlassen wir San Salvador und behalten unsere Auszeit bei Basti und Nadine in bester Erinnerun. Insbesondere ach das Gefühl endlich einmal, den lästigen, blutsaugenden und menschenfressenden Moskitos überlegen gewesen zu sein. Denn Dank des High-Tec-Elektroschock-Tennisschlägers von Basti konnten  wir täglich einen großangelegten Rachefeldzug antreten für all die juckenden Stiche, die sich in den Jahren angesammelt haben. Ich würde sagen, nach dieser Woche in San Salvador bin ich mit den Stechbiestern für erste quit.

    Fun Facts:
    • in San Salvador herrscht ein erbitterter Bandenkrieg, der täglich bis zu 40 Morde fordert.
    • die Landeswährung von El Salvador sind US Dollars
    • in El Salvador gibt es keine Rettungshubschrauber, dafür aber um so mehr Privathubschrauber, mit denen die Reichen über das Wochenende in ihre Ferienanlagen fliegen.

    Checklist:

    Dienstag, 30. November 2010

    Unterwegs im Chickenbus




    Wie das echte Leben, das jedem von uns ab und an aus heiteren Lüften ein Donnerwetter sendet, hat auch eine Reise seine Höhen und Tiefen. Gerade noch am schönsten Karibikstrand gelegen, sollten die folgenden drei Tage völlig unverhofft die anstrengendsten und mühseligsten unserer bisherigen Reise werden. Unser Plan war es, so schnell wie möglich nach San Salvador zu kommen, unserem nächsten großen Reiseziel. Dort hatten wir eine Einladung von meinem guten Freund Basti, der zusammen mit seiner Freundin in der Stadt schon seit zwei Jahren an einer deutschen Schule unterrichtet. Auf der Karte sah eigentlich alles ganz einfach aus und es schien, als ob wir die knapp 700 Kilomter in eineinhalb Tagen gut zurücklegen konnten. Aber dem war leider nicht so.

    Das Drama fing an in Belize City, wo wir einen Bus nehmen wollten in das 3 Stunden entfernte Dangria. Unglücklicherweise war der folgende Tag ein Feiertag und Dangriga offensichtlich "the place to be". Es schien, als ob die ganze westliche Hemisphäre auf diesen einen Bus wollte. Um eine lange Heldengeschichte abzukürzen: ich sicherte Svenja und mir einen Platz im Bus - der Preis dafür war eine Platzwunde am Knie und ein kaputtes Paar Flip Flops.
    In Dangriga stiegen wir um auf einen so genannten Chickenbus. Grundgeschwindigkeit: 5 km/h. Subjektiv empfundene Lautstärke der afrikanischen Bongomusik an Bord: 2700 Dezibel. Verhältins von Bushaltestellen zu Wegstrecke: 5 Stops auf 100 Meter. Völlig gerädert kamen wir Abends in Plancencia an, unserem heutigen Etappenziel und erkundigten uns gleich nach der Fährfahrt am nächsten Tag nach Honduras. Diese stand unter einem schlechten Stern, denn der Wetterbericht prognostizierte Regensturm und Windstärke 4. Der Verantwortliche am Hafen stellte es in Frage, ob die Fähre überhaupt fahren würde. Aber sie fuhr. Und wir mit ihr. Der Begriff "Fähre" ist in diesem Zusammenhang allerdings etwas irreführend. Denn bei der Fähre handelte es sich eher um eine Art Schnellboot, welches Platz bot für ca. 50 Menschen.

    Es war die abgefahrendste und aufregendste Bootsfahrt meines Lebens! Das Schifflein brauste in halsbrecherischem Tempo über die jähzornigen und meterhohen Wellen hinweg, die weitaus größer waren als das Boot selbst. Am Kamm jeder einzelnen Welle hatte man das Gefühl in einer Achterbahn oder am Umkehrpunkt eines Parrabelflugs zu sitzen. Alle an Bord kreischten und klammerten sich an den Nachbarn oder an den Sitzen fest. Teilweise hob man regelrecht ab und donnerte dann wieder schmerzvoll auf die harte Bank. Der Unterschied zu einem Freizeitpark bestand darin, dass wir mitten auf hoher See waren und der ganze Ritt drei Stunden dauerte. Teilweise kamen so hohe Wellen von der Seite, dass einem wirklich Angst und bang wurde. Die Tatsache, dass nur halb so viele Schwimmwesten an Bord waren, wie Passagiere trug nicht zu unser aller Beruhigung bei. Da war es fast schon nebensächlich, dass wir im Gegensatz zu vielen anderen Mitreisenden die ganze Show immerhin überlebten, ohne dabei über die Reling zu kotzen.

    Endlich und unversehrt in Honduras angekommen ging die wilde Fahrt gleich weiter. Die Rustche zu fünft im Taxi war fast noch ein Zuckerschleckem im Vergleich, zu der bevorstehenden Busfahrt. Denn dieses Mal hatten wir weniger Glück bei der Platzsicherung. Das bedeutete, dass wir stolze drei Stunden in einem völlig überfüllten Bus stehen mussten. Da der Bus auch kein Licht hatte, versuchten wir uns mit wilden Wort- und Erinnerungsspielen bei Laune zu halten. Aber nach eineinhalb Stunden "Kofferpacken" (es gab keinen Sieger!) war das irgendwie auch langweilig. Als auf den letzten Kilometern unser Bus zehn mal wegen Motorschaden stehen bleiben musste und sich die Fahrt noch einmal um eine Stunde hinauszögerte war die Moral endgültig gebrochen. Abends um 23 Uhr kamen wir schließlich in dem gottlosen Kaff in Honduras an, ohne bis dahin den ganzen Tag etwas Vernünftiges gegessen zu haben. Daran sollte sich aber auch nichts ändern, denn in dem verregneten und feindseligen Städtlein waren die Bügersteige schon längst nach oben geklappt. Spätestens nachdem auf der fünf minütigen Fahrt zu unserem völlig überteuerten Hostel auch noch unser Taxi wegen einer Panne stehen blieb, fühlten wir uns endgültig verwunschen.

    Tag drei unserer wilden Fahrt nach El Salvador verbrachten wir hauptsächlich in Chickenbuses. Entsprechende Ewigkeiten dauerte es, um von A nach B zu kommen. Schlussendlich benötigten wir fast einen ganzen Tag für eine Strecke von ca. 120 Kilometern. Der krönende Abschluss unserer Odyssee war die einstündige Fahrt mit dem proppevollen Stadtbus von San Salvador, in dem wir auch stehen mussten. Dieses Mal allerdings mit all unserem Gepäck auf den Schultern. Bei der Fahrt, die im Grunde nur aus Vollgas und Vollbremsungen bestand, hatte ich alle Mühe, um mich irgendwie an den Griffstangen festzuhalten um nicht mit Sack und Pack vorne durch die Windschutzscheibe zu fliegen.

    Völlig erledigt und maßlos ausgepowert kamen wir Abends an. In der Kurzfassung: 62 Stunden, 700 Kilometer, 14 Fahrzeuge. Es war Zeit höchste Zeit für den Willkommensdrink im Pool des Strandhauses von Basti und Nadine.

    Fun Facts:
    • die lokalen Busse (Chickenbuses) sind ausrangierte alte US-Schulbusse, auf die man überall an der Straße aufspringen kann. In Belize und El Salvador herrscht dort regelrechte Partystimmung, denn die Fahrt ist in ohrenbetäubender Lautstärke mit Musik untermalt. Die akkustische Palette reicht von Reggea bis Celine Dion.
    • im Vergleich zu Honduras sind die Menschen in El Salvador auffallen gastfreundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.

    Checklist:
    • Achterbahnfahrt auf hoher See
    • 3 Stunden Busfahrt im Stehen
    • Platzkampf im Chickenbus unter Blut und Schweiß und materiellen Verlusten