Dienstag, 30. November 2010

Unterwegs im Chickenbus




Wie das echte Leben, das jedem von uns ab und an aus heiteren Lüften ein Donnerwetter sendet, hat auch eine Reise seine Höhen und Tiefen. Gerade noch am schönsten Karibikstrand gelegen, sollten die folgenden drei Tage völlig unverhofft die anstrengendsten und mühseligsten unserer bisherigen Reise werden. Unser Plan war es, so schnell wie möglich nach San Salvador zu kommen, unserem nächsten großen Reiseziel. Dort hatten wir eine Einladung von meinem guten Freund Basti, der zusammen mit seiner Freundin in der Stadt schon seit zwei Jahren an einer deutschen Schule unterrichtet. Auf der Karte sah eigentlich alles ganz einfach aus und es schien, als ob wir die knapp 700 Kilomter in eineinhalb Tagen gut zurücklegen konnten. Aber dem war leider nicht so.

Das Drama fing an in Belize City, wo wir einen Bus nehmen wollten in das 3 Stunden entfernte Dangria. Unglücklicherweise war der folgende Tag ein Feiertag und Dangriga offensichtlich "the place to be". Es schien, als ob die ganze westliche Hemisphäre auf diesen einen Bus wollte. Um eine lange Heldengeschichte abzukürzen: ich sicherte Svenja und mir einen Platz im Bus - der Preis dafür war eine Platzwunde am Knie und ein kaputtes Paar Flip Flops.
In Dangriga stiegen wir um auf einen so genannten Chickenbus. Grundgeschwindigkeit: 5 km/h. Subjektiv empfundene Lautstärke der afrikanischen Bongomusik an Bord: 2700 Dezibel. Verhältins von Bushaltestellen zu Wegstrecke: 5 Stops auf 100 Meter. Völlig gerädert kamen wir Abends in Plancencia an, unserem heutigen Etappenziel und erkundigten uns gleich nach der Fährfahrt am nächsten Tag nach Honduras. Diese stand unter einem schlechten Stern, denn der Wetterbericht prognostizierte Regensturm und Windstärke 4. Der Verantwortliche am Hafen stellte es in Frage, ob die Fähre überhaupt fahren würde. Aber sie fuhr. Und wir mit ihr. Der Begriff "Fähre" ist in diesem Zusammenhang allerdings etwas irreführend. Denn bei der Fähre handelte es sich eher um eine Art Schnellboot, welches Platz bot für ca. 50 Menschen.

Es war die abgefahrendste und aufregendste Bootsfahrt meines Lebens! Das Schifflein brauste in halsbrecherischem Tempo über die jähzornigen und meterhohen Wellen hinweg, die weitaus größer waren als das Boot selbst. Am Kamm jeder einzelnen Welle hatte man das Gefühl in einer Achterbahn oder am Umkehrpunkt eines Parrabelflugs zu sitzen. Alle an Bord kreischten und klammerten sich an den Nachbarn oder an den Sitzen fest. Teilweise hob man regelrecht ab und donnerte dann wieder schmerzvoll auf die harte Bank. Der Unterschied zu einem Freizeitpark bestand darin, dass wir mitten auf hoher See waren und der ganze Ritt drei Stunden dauerte. Teilweise kamen so hohe Wellen von der Seite, dass einem wirklich Angst und bang wurde. Die Tatsache, dass nur halb so viele Schwimmwesten an Bord waren, wie Passagiere trug nicht zu unser aller Beruhigung bei. Da war es fast schon nebensächlich, dass wir im Gegensatz zu vielen anderen Mitreisenden die ganze Show immerhin überlebten, ohne dabei über die Reling zu kotzen.

Endlich und unversehrt in Honduras angekommen ging die wilde Fahrt gleich weiter. Die Rustche zu fünft im Taxi war fast noch ein Zuckerschleckem im Vergleich, zu der bevorstehenden Busfahrt. Denn dieses Mal hatten wir weniger Glück bei der Platzsicherung. Das bedeutete, dass wir stolze drei Stunden in einem völlig überfüllten Bus stehen mussten. Da der Bus auch kein Licht hatte, versuchten wir uns mit wilden Wort- und Erinnerungsspielen bei Laune zu halten. Aber nach eineinhalb Stunden "Kofferpacken" (es gab keinen Sieger!) war das irgendwie auch langweilig. Als auf den letzten Kilometern unser Bus zehn mal wegen Motorschaden stehen bleiben musste und sich die Fahrt noch einmal um eine Stunde hinauszögerte war die Moral endgültig gebrochen. Abends um 23 Uhr kamen wir schließlich in dem gottlosen Kaff in Honduras an, ohne bis dahin den ganzen Tag etwas Vernünftiges gegessen zu haben. Daran sollte sich aber auch nichts ändern, denn in dem verregneten und feindseligen Städtlein waren die Bügersteige schon längst nach oben geklappt. Spätestens nachdem auf der fünf minütigen Fahrt zu unserem völlig überteuerten Hostel auch noch unser Taxi wegen einer Panne stehen blieb, fühlten wir uns endgültig verwunschen.

Tag drei unserer wilden Fahrt nach El Salvador verbrachten wir hauptsächlich in Chickenbuses. Entsprechende Ewigkeiten dauerte es, um von A nach B zu kommen. Schlussendlich benötigten wir fast einen ganzen Tag für eine Strecke von ca. 120 Kilometern. Der krönende Abschluss unserer Odyssee war die einstündige Fahrt mit dem proppevollen Stadtbus von San Salvador, in dem wir auch stehen mussten. Dieses Mal allerdings mit all unserem Gepäck auf den Schultern. Bei der Fahrt, die im Grunde nur aus Vollgas und Vollbremsungen bestand, hatte ich alle Mühe, um mich irgendwie an den Griffstangen festzuhalten um nicht mit Sack und Pack vorne durch die Windschutzscheibe zu fliegen.

Völlig erledigt und maßlos ausgepowert kamen wir Abends an. In der Kurzfassung: 62 Stunden, 700 Kilometer, 14 Fahrzeuge. Es war Zeit höchste Zeit für den Willkommensdrink im Pool des Strandhauses von Basti und Nadine.

Fun Facts:
  • die lokalen Busse (Chickenbuses) sind ausrangierte alte US-Schulbusse, auf die man überall an der Straße aufspringen kann. In Belize und El Salvador herrscht dort regelrechte Partystimmung, denn die Fahrt ist in ohrenbetäubender Lautstärke mit Musik untermalt. Die akkustische Palette reicht von Reggea bis Celine Dion.
  • im Vergleich zu Honduras sind die Menschen in El Salvador auffallen gastfreundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.

Checklist:
  • Achterbahnfahrt auf hoher See
  • 3 Stunden Busfahrt im Stehen
  • Platzkampf im Chickenbus unter Blut und Schweiß und materiellen Verlusten

































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